Hildegard von Bingen war eine der bedeutendsten Visionärinnen des Mittelalters. Schon als Kind hatte sie intensive Lichtschauen und Eingebungen, die sie zeitlebens begleiteten. Lange schwieg sie aus Angst vor Unverständnis, doch schließlich begann sie, ihre Erfahrungen niederzuschreiben – auf ausdrücklichen Auftrag, wie sie es verstand, von Gott und durch die Zustimmung der Kirche.
Ihre Visionen, die sie bei klarem Verstand erfahren hat, waren einerseits geprägt von eindrucksvollen Bildern, die den Menschen, die Schöpfung und das Wirken Gottes in kosmischen Zusammenhängen zeigen. In Werken wie Scivias oder Liber divinorum operum beschrieb sie diese in einer symbolreichen Sprache. Andererseits erschließt sich Hildegard in solchen Schauen auch der tiefe Sinn der heiligen Schrift. Diese Bilder und Worte machen in ihrer Kombination komplexe Glaubensinhalte für uns alle zugänglich.
Hildegards Visionen waren nicht nur spirituell geprägt, sondern auch Impulse für Erneuerung. Sie mahnte geistliche und weltliche Führer, Verantwortung zu übernehmen und nach göttlicher Ordnung zu handeln. Ihre Schau war immer auf das Ganze gerichtet: den Menschen im Licht Gottes, eingebettet in die Harmonie des Kosmos. Damit wurde Hildegard zu einer Prophetin, deren Stimme weit über ihre Zeit hinaus Beachtung findet.